Freudenberger Nützerling :
Freudenberger Nützerling
Herkunft, Verbreitung und Verwendung
Die erste Erwähnung des Freudenberger Nützerlings findet sich in der Schrift „Zielbewusster Anbau des Baum- und Beerenobstes – unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse des Siegerlandes“, herausgegeben 1903 und 1906 (im Selbstverlag) vom Kreuztaler Lehrer Carl Kurth: „Der Nützerling ist eine Lokalsorte, die hier im Amte Freudenberg viel angebaut wird und dort sehr beliebt ist“. Die Bezeichnung „Nützerling“ dürfte die Sorte vor allem ihrer guten Tragbarkeit verdanken – in einer Region, in der aufgrund der klimatischen Bedingungen nicht jede Apfelsorte gut gedeiht.
In seiner Schrift „Auswahl und Beschreibung der Obstsorten zum Anbau im Siegerlande“ von 1914 ergänzt der Kreuztaler Lehrer: „Die Sorte kann im Kreise überall angepflanzt werden, verlangt aber einen guten tiefgründigen Boden zur vollkommenen Ausbildung der Früchte und zum gesunden Wachstum des Baumes. Gut zur Veredelung ungeeigneter Sorten Der Baum wächst ziemlich kräftig, am geeigneten Standort auch gesund. Er bildet eine hohe pyramidale Krone und ist recht dankbar im Tragen, die Tragbarkeit setzt jedoch erst ziemlich spät ein.“
Die genaue Entstehung oder Herkunft des Freudenberger Nützerling ist nicht bekannt. Vermutungen, dass schon 100 Jahre zuvor ein Handelsreisender der damals in Freudenberg boomenden Lederindustrie Reiser aus dem Baltikum mitgebracht und hier auf einen Wildling aufveredelt hätte, konnten bisher nicht belegt werden. In einem Artikel der Siegener Zeitung aus dem Jahre 1891 von Lehrer Carl Sterzenbach aus Freudenberg („Einiges über die Pflanzung und Pflege unserer Obstbäume“) werden zwar empfehlenswerte Winteräpfel aufgezählt; der Freudenberger Nützerling ist hier jedoch noch nicht erwähnt.
Auch 1950 wird der Freudenberger Nützerling noch in einer Liste der „empfehlenswerten Obstsorten im Kreise Siegen und Olpe“ des örtlichen Gartenbauinspektors Finger geführt und als reichtragend hervorgehoben. Die Baumschule Six (später Ellger) in Kreuztal-Kredenbach soll den Nützerling noch nach 1970 im Sortiment gehabt haben.
Heute ist der Freudenberger Nützerling nur noch selten im Streuobst zu finden. Bäume finden sich noch u.a. in Siegen, Freudenberg, Kreuztal, Neunkirchen/Siegerland und in den angrenzenden Gebieten des Kreises Altenkirchen/Rheinland-Pfalz. In einzelnen Baumschulen ist die Sorte heute noch als Jungbaum erhältlich, so z.B. bei der Baumschule Hebel (Daaden Kreis Altenkirchen), der Gartenbaumschule Krämer in Detmold und der Baumschule Ritthaler, (Hütschenhausen Rheinland-Pfalz).
Der Freudenberger Nützerling ist als reiner Wirtschaftsapfel anzusehen, d.h. für die Produktion von Apfelsaft ebenso verwendbar wie für die häusliche Verarbeitung zu Mus, Kuchen oder Kompott. „Als recht wohlschmeckender Tafelapfel kann… der Nützerling kaum gelten; er ist aber in der Küche und besonders als Backapfel recht wertvoll. Durch die lange Dauer der Früchte, bis in den Sommer hinein, sind diese besonders angenehm“, schrieb Lehrer Kurth schon 1906.
Die Ernte der Früchte erfolgt spät. „Sie müssen sehr lange, bis Ende Oktober, am Baum hängen; zu früh geerntet, bleiben sie trocken und geringwertig“, heißt es schon in der Erstbeschreibung. Bei guter Lagerung sind die Früchte – weitgehend verlustfrei – bis April und (je nach Qualität des Lagers) auch deutlich länger verwendbar.
Beschreibung der Frucht :
Gesamt-eindruck |
Frucht mittelgroß (bei starkem Behang bzw. bei ungepflegten Bäumen klein), hochrundlich, relativ ebenmäßig, im Querschnitt rundlich, t eils unregelmäßig rund oder oval.
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Färbung |
Grundfarbe grünlich bis weißlich grün, etwas „kaltfarbig“. Deckfarbe dunkelrot, bei starker Färbung (sonnenseitig) flächig verwaschen, in den Übergängen zur Grundfarbe marmoriert bis feinstreifig, auf etwa einem Drittel bis zu drei Vierteln der Frucht. Schalenpunkte klein, insgesamt wenig auffallend, auf Grundfarbe teils grünlich umhöft, auf Deckfarbe teils hell umhöft.
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Schale und Druckfestigkeit |
Frucht hart, nicht druckempfindlich. Schale glatt, glänzend, mitteldick, relativ hart, mürbe, baumfrisch schwach bereift.
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Kelchansicht |
Kelchgrube flach, mittelweit, teils etwas perlig-faltig, vereinzelt mit kleinen Rostspuren. Kelch mittelgroß, meist geschlossen, variabel geschlossen. Kelchblättchen kurz, dicht zusammenstehend, buschig hochstehend, z.T. grünlich. Kelchumgebung flach wulstig.
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Stielansicht |
Stielgrube mittelweit oder eng, mitteltief oder flach, seltener mit kleinem Fleischwulst. Seiten mal fein, mal grob schuppig berostet, Berostung teils strahlig oder fleckig auslaufend. Stiel kurz, dünn, zum Zweigansatz hin knopfig verdickt, ragt meist kaum aus der Stielgrube heraus.
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Schnittbild |
Kelchhöhle dreieckig bis becherförmig, Staubfäden direkt am Stempel verwachsen. Kernhaus mittelgroß bis groß, mit geschlossener Achse; ‚Core-Line’ zwiebelförmig, mittelweit ums Kernhaus. Kernhauswände breit bogenförmig oder breit ohrenförmig, mit einzelnen, z.T. verpilzten Rissen. Kerne gut mittelgroß, ca. 9 : 4,5 mm bis 9 : 5,5 mm, dunkelbraun, unten stumpf gespitzt, ohne Glanz, matt.
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Fruchtfleisch |
Fruchtfleisch hell, schwach grünlich weiß, fast weiß, feinzellig, fest, mäßig saftig, süßsäuerlich, ohne ausgeprägtes Aroma, gering verbräunend.
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Verwechsler |
„Steinapfel“ (Westfalen), Rheinischer Bohnapfel, Laxton Superb
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Beschreibung des Baumes; Krankheitsanfälligkeit und Standortansprüche :
Der Baum des Freudenberger Nützerling ist starkwüchsig, mit schrägen bis steil aufrechten feintriebigen Seitenästen, die später unter Fruchtbehang außen abkippen. Er bildet große, hochkugelige bzw. hoch pyramidale Kronen.
Die Sorte gilt als wenig anfällig für Schorf und Mehltau, wenn auch lokal auf sehr ungünstigen Standorten (mit schlechter Durchlüftung) auch Schorf beobachtet werden konnte. Auf schlecht durchlüfteten, schweren bzw. staunassen Böden kann Obstbaumkrebs auftreten, weshalb lockere Böden bzw. Hanglagen bevorzugt werden sollten.
Als Jungbaum kommt die Sorte spät in den Ertrag, welcher dann in rauhen Lagen vergleichsweise hoch ist. Bei mangelnder Schnittpflege neigt der Freudenberger Nützerling zu Kleinfrüchtigkeit.
In den alten Beschreibungen hat man insbesondere seine Frosthärte und seine extrem späte Blüte hervorgehoben, weshalb er auch als besonders für Höhenlagen geeignet gilt. Als vermutlich diploide Sorte ist sie auch ein guter Befruchter, allerdings nur für ebenfalls spät blühende Sorten.
Alles in allem ist der Freudenberger Nützerling trotz gewisser Einschränkungen eine robuste Wirtschaftssorte, deren Früchte durch ihre lange und weitgehend verlustfreie Lagerbarkeit auffallen. Ihre Bedeutung dürfte allerdings vor allem auf Höhenlagen bzw. auf solche Gebiete begrenzt bleiben, in denen attraktivere Sorten nur schwierig gedeihen.
Hans-Joachim Bannier / Theo Morgenschweis
Förderung der Sortenbeschreibung durch das Land Nordrhein-Westfalen und die EU